Zuzug zu den Gleisen
"Hardcore-Slums" in Dhaka, Bangladesch
Seit 1950 wuchs Dhaka wie keine andere Stadt weltweit um ihr Dreißigfaches. Mit knapp 14 Millionen Einwohnern liegt Dhaka inzwischen auf Platz 11 der größten Städte, umringt von einem der ärmsten und dem dichtest besiedelten Staat der Erde. Keine andere Hauptstadt trägt 60% der Wirtschaftskraft seines Landes allein, was Dhaka zu einem unvergleichlichen Magneten für die Bewohner des ganzen Umlandes macht. Für das Jahr 2025 wird Dhaka eine Einwohnerzahl von über 20 Millionen prognostiziert. Dann hätte Dhaka alle anderen bislang größten Megacitys der 3. Welt in den Schatten gestellt, wie Bombay, Kalkutta, Jakarta, Delhi oder Mexiko City, denen von der westlichen Welt schon lange ein Kollaps prophezeit wurde, der jedoch immer ausblieb.
Fast 40% der Bewohner Dhakas leben bereits jetzt in Slums, von denen die Stadt umringt ist. Selbst in der Innenstadt wird jeder Winkel zum Leben genutzt. „Zentrales Wohnen“ ist auch für die Ärmsten der Armen wichtig, denn wenn es Arbeit gibt, dann hier. Dafür pferchen die Menschen ihre Behausungen in jeden kleinsten freien Winkel, sogar direkt neben die Bahngleise. Kategorie „Hardcore Slum“ nennen Entwicklungshilfeorganisationen diese Orte. Ein Leben auf engstem Raum ohne Wasser, ohne Strom, nur ständig das Gepfeife des Zuges, der den Leuten allerhöchstens eines bringen kann: Noch mehr Menschen. Auf diesem Laufsteg der Entblößung lässt sich an vielen Stellen dem vorbei rollenden Zug außerhalb der Hütten gar nicht mehr ausweichen. Es scheint, als beschneiden die regelmäßig passierenden Züge wie tonnenschwere Rasierklingen die stetig wuchernde Ausbreitung der Behausungen.
Ausstellung Münchner Fotoschule, 2005
Ausstellung Agatharied, 2006